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Hermès, der Zeit-Künstler

Für Hermès ist die Zeit ein Objekt, mit dem das Haus auf respektvolle Art und Weise spielt. Hermès erfindet Uhren, die nicht nur die Zeit messen, sondern auch ihre Einzigartigkeit offenbaren.

von Isabelle Cerboneschi

Im Hause Hermès scheint man eine ganz besondere Beziehung zur Zeit zu pflegen. Die Zeit hat hier nicht etwa ihren Meister gefunden, sondern ihren Interpreten, der sie auf zugleich poetische, unkonventionelle, philosophische und verträumte Weise zum Ausdruck bringt. Bei Hermès legt man zwar Wert auf Präzision, aber auf eine dem Hause eigene, fantasievolle Weise. Denn die Verwendung von Objekten für andere Zwecke als ursprünglich vorgesehen gehört zur DNA der Marke.

Als das Haus 2011 beschloss, nun auch die Zeit zu messen, fand es einen Uhren-Designer, der diesen Wunsch Wirklichkeit werden lassen konnte. Und so kam es dazu, dass Agenhor das Uhrwerk entwarf, das dem Modell Arceau Le temps suspendu Leben einhaucht. Bei Hermès weiss man nur zu gut, dass manche Stunden wertvoller sind als andere. Möchte man etwa Zeit mit den Menschen verbringen, die einem lieb und teuer sind, muss man im Hier und Jetzt leben, denn nur der gegenwärtige Augenblick ist die Zeit, die wirklich zählt. Und um diesen gegenwärtigen Augenblick angemessen zu versinnbildlichen, halten die Zeiger dieser Uhr elegant in ihrem unermüdlichen Lauf inne und nehmen ihn dann etwas später in aller Ruhe wieder auf.

Für Hermès ist die Zeit eine Emotion. Nicht nur die Emotion, die durch die Schönheit eines Uhrwerks oder einer Komplikation hervorgerufen wird, nein. Hier ist die Rede von der Emotion, die der Zeit selbst innewohnt und die eine ganz andere Farbe annimmt, wenn man einen zukünftigen Moment voller Vorfreude herbeisehnt. Ein romantisches Rendezvous, die fünf Stockwerke ohne Aufzug, die man erklimmt – in der Hand einen Strauss Pfingstrosen. Das Herzklopfen kommt dem Schlag der Unruh gleich. Hermès weiss um den Wert dieser ganz besonderen Zeit, um ihre Kostbarkeit und ihre Einzigartigkeit. Die Slim d’Hermès L’heure impatiente wurde entwickelt, um diese an Emotionen so reiche Zeit zum Ausdruck zu bringen. Eine Stunde vor dem erwarteten Ereignis setzt sich eine mechanische Sanduhr in Bewegung und zum herbeigesehnten Zeitpunkt ertönt ein samtiger Ton.

Gründung
1837
Gesellschaftsform
Aktiengesellschaft der Hermès-Gruppe
Direktion
Laurent Dordet, CEO
Anzahl Mitarbeiter
Rund 300
Bedeutendste Kollektionen
Cape Cod, Heure H, Slim d’Hermès, Arceau
Bestseller
Cape Cod
Verkaufspreise
CHF 2 000.- bis mehrere Hunderttausend Franken für Sondermodelle
Jahresproduktion
Keine Angaben

www.hermes.com

Die Hermès-Zeit bringt aber auch Schönheit und Savoir-faire zum Ausdruck. Das eigene, einzigartige Design verrät dabei unmittelbar die Herkunft eines Objekts dieses Hauses, ohne dass ein Blick auf die Signatur vonnöten wäre. Nur Hermès kann der Erschaffer dieses Zifferblattes mit Miniaturmalerei sein, das sein Spiel mit den Perspektiven treibt und ein fast bedrohlich wirkendes Tier zeigt. Fast – denn auf Grund der Zifferblattgrösse ist nur ein kleiner Teil des mit spitzen Zähnen bestückten Kiefers sichtbar. Man weiss nicht, ob das Tier knurrt – Grrrrr (so lautet übrigens auch der Name der Uhr: Slim d’Hermès Grrrrr !) –, ob es der Dezentriertheit überdrüssig ist oder ob es einfach nur Lust hätte, seinen Platz auf dem Zifferblatt zu verlassen, um eine Runde zu drehen.

Hermès überlässt die Erfindung bedeutender und schöner Komplikationen den traditionsreichen Manufakturen, denn bei Hermès schlägt eine ganz andere Zeit. Das Haus beherrscht die Kunst dieser seltsamen Maschinen, die einem die Illusion vermitteln, man sei der Herr seiner eigenen Zeit geworden – einer Zeit nach Mass, die nur dann vergeht, wenn man will, und zwar zum selbst bestimmten Zeitpunkt.

Der Mond, zwei i-Tüpfelchen gleich

Bei Hermès macht man die Sachen immer etwas anders: Kreiert man etwa in Zusammenarbeit mit dem Entwickler Chronode eine Mondphase, so macht man mit den Konventionen kurzen Prozess und lässt den nächtlichen Himmelskörper die Hauptrolle spielen. Allen Erwartungen zum Trotz bewegt sich der Mond hier nicht vom Fleck. Eigentlich sollte man von den Monden sprechen, denn der Mond der nördlichen Hemisphäre bei 6 Uhr steht dem Mond der südlichen Hemisphäre gegenüber. Und während der Mond dem süssen Nichtstun frönt, übernehmen zwei Zähler – für Uhrzeit und Datum – die Arbeit und drehen sich innerhalb von 59 Tagen einmal um das Zifferblatt aus Aventurin oder Meteorit. Sie sorgen für ein Versteckspiel, indem sie die Perlmuttmonde enthüllen oder verbergen. «Das Gesicht der Uhr verändert sich jeden Tag», erzählt Philippe Delhotal, Kreativ- und Entwicklungsdirektor von Hermès Horloger. «Die Zeit wird hier in einer verspielten Art und Weise angezeigt, mit Zählern, die über Monde kreisen, und Monden, die die Himmelsrichtungen vertauscht haben – denn bei Hermès lässt es sich kopfüber am schönsten träumen.»

Galop d’Hermès aus Roségold mit silberfarbenem, gekörntem Zifferblatt und glattem elefantengrauem Alligatorlederarmband.

Zeichne mir einen Galopp …

Als Hermès beschloss, eine neue Damenuhr zu kreieren, wandte sie sich an den Möbel- und Leuchtendesigner Ini Archibong. Der amerikanisch-nigerianische Designer erzählt mit seinen Leuchtobjekten – Lampen, die Unsichtbares sichtbar machen – Geschichten. Der Absolvent der École cantonale d’art de Lausanne (ECAL) hatte zuvor noch keine Uhren entworfen? Und wenn schon! Er wurde mit dem Design der Galop d’Hermès betraut, wobei ihm Objekte aus dem Conservatoire des Créations Hermès als Inspirationsquelle dienten. «Ich habe mich in die Objekte aus der Modewelt von Hermès vertieft. Ich habe nach Gemeinsamkeiten zwischen Gürtelschnallen, Knöpfen und Pferdegeschirren gesucht. Dieser Suche galt meine ganze Aufmerksamkeit», erzählte er im Januar. Es entstand eine Uhr, die von einer Sammlung historischer Steigbügel inspiriert ist, aber auch die Spuren seiner eigenen Sichtweise aufweist. Ein kantenloses Gehäuse mit fliessenden Linien, ein klares Zifferblatt mit edler Typografie – die Schlichtheit geht über die Funktionalität und Einfachheit der Hermès-Objekte hinaus. Ein Damenmodell, das sicherlich auch an den Handgelenken der Herren zu finden sein wird.