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Richard Mille : der Kunst verfallen

Der Uhrmacher, der mit seinen Kreationen immer wieder Aufsehen erregt, liebt die moderne Kunst, und diese veranlasst ihn immer wieder zu neuen Partnerschaften. Ob berühmte Einrichtungen oder renommierte Künstler: Richard Mille prägt auf seine eigene, unnachahmliche Weise die Kreativwelt.

von Olivier Mülle

Sonntag, 30. Juni, Chantilly, im Norden von Paris. Ein Schloss aus dem Jahr 1358 mit endlosem Park, Schlossgärten von Le Nôtre, riesige Hüte und elegant gekleidete Familien beim Spaziergang. An ihrer Seite: ein Oldtimer-Bugatti, ein nahezu vergessener Facel Vega und der Prototyp eines McLaren. Was wie ein Gemälde von Dalí anmutet, ist für für Richard Mille eine Art Brauch. Der Oldtimer- Wettbewerb Chantilly Arts & Élégance Richard Mille ist (zum grössten Teil) seiner. Er wurde von seinem Freund Patrick Peter (Peter Auto, unbestrittener Leader im Bereich der Oldtimer-Wettbewerbe) nach einem gemeinsamen Gespräch ins Leben gerufen. Die Ausgabe 2019 weist jedoch eine Besonderheit auf: Dieses Mal spielt die Kunst auf Augenhöhe mit der Mechanik.

Am Anfang war Picassos Schatten

Neue Beobachter werden überrascht sein. Richard Mille, der futuristische Uhrmacher des 21. Jahrhunderts, Meister der Rennsportmechanik, Anhänger des Luxus-Hightech … und nun auch: Kunstmäzen? Die Realität stellt sich als komplexer heraus, und war gar nicht mal so abwegig. Erste Indizien gab es schon länger, zum Beispiel die Éditions Cercle d’Art. Das der Richard Mille Gruppe zugehörige Unternehmen ist ein historisches Verlagshaus, das zahlreiche Monografien zeitgenössischer Künstler verlegte – darunter Picasso, der das Projekt in der Anfangszeit begleitete. Es folgte die Zusammenarbeit mit Künstlern verschiedenster Hintergründe, darunter auch Cyril Kongo. Die RM 68-01 Tourbillon, ein wahres Kunstwerk am Handgelenk, überträgt seine Welt, die Streetart mit ihrer eigenen Künstlersprache, mitten ins Uhrwerk. Die aussergewöhnliche Lackierarbeit erforderte das Erforschen und Entwickeln einer geeigneten Airbrush-Pistole und Farbe, was nahezu ein Jahr in Anspruch nahm!

Das Übersetzen einer Künstlersprache ins unendlich Kleine – diese Definition trifft auch auf die Kreationen einer anderen Künstlerin zu, mit der Richard Mille zusammenarbeitet: die Schauspielerin Michelle Yeoh, erste weibliche Partnerin der Marke. Ihre RM 051 zeichnet den Mythos des Phönix aufs Handgelenk. Mit Diamanten verziert, wurde dieser in das Uhrwerk eingeflochten und verbindet als endlos geflochtenes Band das Federhaus, die Gangreserveanzeige und das Tourbillon. Ein Kunstwerk, das poetisch und faszinierend zugleich ist. Eine extrem komplexe Damenuhr mit unendlicher Eleganz.

Gründung
2001
Gesellschaftsform
Unabhängiges Unternehmen
Direktion
Richard Mille, Präsident
Dominique Guenat, Co-Präsident
Anzahl Mitarbeiter
Rund 170
Bedeutendste Kollektionen
Die 70 Kollektionen
Bestseller
RM 11-03, RM 07-01, RM 037, RM 016
Verkaufspreise
CHF 54 000.- bis 2 077 500.-
Jahresproduktion
Ca. 5 200 Stück im Jahr 2019

www.richardmille.com

Am Tisch der Grossen

Doch damit nicht genug für Richard Mille. Nach weiteren, sehr erlesenen Partnerschaften – mit Pharrell Williams, der Schauspielerin Margot Robbie und dem Choreografen Benjamin Millepied – will Richard Mille es nun mit den ganz grossen Kunsteinrichtungen der Welt aufnehmen. Richard Mille und der Louvre? Zu viel Geschichte. Denn Mille schaut gern weit in die Zukunft. Er hat sein Augenmerk auf die «Frieze Masters» und die «Frieze London»-Kunstmessen gerichtet, dann auf New York und Los Angeles. Frieze ist die weltweit führende Plattform für moderne und zeitgenössische Kunst, die sich an Kenner, Sammler und die breite Öffentlichkeit richtet. In diese Welt passt Richard Mille perfekt: Jede seiner Uhren ist auf ihre Weise ein Kunstwerk in puncto Design, Skulptur und Architektur. Jede «Richard Mille» stimuliert die Wahrnehmung der Sammler und bietet eine neue Interpretation seiner Uhrmacherkunst.

Genauso wie ein modernes Kunstwerk die traditionelle Kunst hinterfragt und nicht davor zurückscheut, mit klassischen Standards zu brechen. Erst kürzlich, im Februar 2019, hat Richard Mille die Wurzeln seines künstlerischen Schaffens durch eine Partnerschaft mit dem Palais de Tokyo untermauert – seines Zeichens das grösste Zentrum für zeitgenössische Kunst in Europa, das im Herzen von Paris liegt. Über einen Zeitraum von drei Jahren hinweg steht Richard Mille im direkten Kontakt mit den rund 640 000 jährlichen Besuchern dieser internationalen Einrichtung. Dieser gelingt es, ebenso wie Mille selbst, die Grenzen zwischen Ausstellung, Begegnung, Vorführung, Konzert, Performance und Buchhandlung zu durchbrechen – und das in einem Gebäude mit spektakulärer Architektur. Innovation und der Bruch mit Konventionen in einem einzigartigen, modernen Rahmen: Genauso könnte die Definition einer Richard Mille lauten.

Die Uhr RM 68-01 Tourbillon Cyril Kongo – das «Kunstwerk fürs Handgelenk» – wurde in Zusammenarbeit mit dem französischen Streetart-Künstler geschaffen.
Cyril Kongo hat seine grafische Welt mit einer speziell zum tröpfchenweisen Aufsprühen der Farben entwickelten Airbrush-Pistole mitten ins Uhrwerk übertragen.

Kongo: «Mr Colorful» entwirft 30 Unikate

Cyril Kongo kannten nur einige wenige Uhrenliebhaber, bevor Richard Mille ihm freie Hand liess. Ob es sich bei der 2016 vorgestellten RM 68-01 Tourbillon nun um ein Kongo-Graffito auf einer Richard-Mille-Uhr handelt – oder doch eher um eine Richard-Mille-Uhr, die einem Kongo-Graffito als Leinwand dient, ist schwer zu entscheiden. Was heute als perfekte Symbiose von Uhrmacherei und Streetart erscheint, war jedenfalls kein leichtes Unterfangen. Das vollständig skelettierte Richard-Mille-Werk liess dem Künstler nicht viel Gestaltungsfläche. Er bemalte es vollständig von Hand, hauptsächlich mit Hilfe einer Airbrush-Pistole. Eine extrem leichte Farbe sowie eine Airbrush-Pistole wurden eigens für dieses Modell entwickelt, um die Funktion der winzigen Einzelteile nicht zu gefährden und die gewählten Farben ganz behutsam, Tropfen für Tropfen, aufzusprühen. Jede einzelne Uhr wurde vom Künstler gestaltet und in ein echtes Unikat verwandelt. Kongo, sonst eher mit gigantischen Wandfresken vertraut, brachte es fertig, seine Kunst auf Einzelteilen zu reproduzieren, die sich auf wenige Mikron bemessen. Eine Meisterleistung, die ihresgleichen sucht.